Rede der Preisträgerin

Sie haben den Hörspielpreis der Kriegsblinden für das vergangene Jahr - nach Überwindung einiger Bedenken - einer unbekannten Autorin zugesprochen. Ihre Bedenken galten nicht der Arbeit die Sie ausgezeichnet haben, ich nehme an, dass sie meiner Zukunft galten, den Arbeiten, die folgen werden, in welchen sich vielleicht zeigt, dass ich in dieses eine Hörspiel alles Können hineingelegt habe, dass alles, was ich jetzt noch schreiben werde, eine Art Wiederholung sein wird - vielleicht in einer anderen Tonart, vielleicht mit anderer Phrasierung, - aber endlose, ständig schwächer werdende Wiederholung. Ich weiß nicht mehr als Sie. Ich weiß nicht, wie weit meine Kraft reicht, ich bin nicht imstande, auch nur ungefähr die Grenzen meines Könnens zu markieren. Ich kenne nicht den Zeitpunkt an dem neue Bilder auftauchen werden, und ich weiß auch nicht, ob es mir dann gelingen wird, die Bilder so nachzuzeichnen, dass sie Ausstrahlung haben -, dass sie sich in Ihrem Innern widerspiegeln. Ich weiß nur, dass ich immer wieder versuchen muss, mich zu stellen, zu jeder künstlerischen Arbeit gibt das Lebendige den Anstoß, und das Geschaffene drängt zum Lebendigen zurück - will sich in ihm spiegeln - will an ihm seine Echtheit prüfen - will sich in allem was lebt erkennen. Welchen Gefahren ist es doch ausgesetzt, welchen Umdeutungen muss es standhalten, wenn es in die Welt der Erfahrungen, der Erinnerungen anderer hineingenommen wird. Welche Kraft muss es haben, wenn es auch nur für begrenzte Zeit mit seinem Wortrhythmus fremdes Denken übertönen soll. - Wie leicht kann es bei diesem Prozess seine eigentliche Gestalt verlieren.
<br>Dann landet es - von der Kritik um und um gewendet - als unzustellbarer, mit vielen Fingerabdrücken versehener Brief wieder beim Absender -, gelobt, wo ein Lob nicht angemessen scheint, getadelt und abgewiesen da, wo man es für unantastbar und überzeugend gehalten hat. Dass mein Hörspiel seine Prüfung bestanden hat, auch vor denen, die den schärfsten und reinsten Spiegel des Wortes in sich tragen - vor den blinden Hörern -, macht mich stolz; - aber es ist nicht allein mein Verdienst: Wie ein musikalisches Werk erst durch Interpretation wirklich lebendig wird, so kann auch ein Hörspiel erst durch Interpreten ganz für den Hörer erschlossen werden. Erst die Begabung und Sorgfalt des Regisseurs, erst das Können der Sprecher, erst die dem Wort so völlig angepasste Musik des Komponisten haben mein Hörspiel zu einer wirklichen „Funkdichtung” gemacht. Ich danke dem Südwestfunk dafür, dass er diese Inszenierung möglich gemacht hat. Sie, der Verband der Kriegsblinden, Sie, die Jury, die Hörer, haben mich ausgezeichnet. Sie haben in meinem Hörspiel Sinn für die Würde des Menschen erkannt - die Liebe, die Angst und den Trost, Sie haben damit Ihre eigene Behutsamkeit dem Leben gegenüber zu erkennen gegeben -, dafür danke ich Ihnen.