Irma Kupczik, 45

Hörspiel von Margarete Jehn

SWF
Erstsendung: 16.12.1971
Regie: Hans-Gerd Krogmann

Irma Kupczik Irmgard Först

Irma Kupczik ist eine vitale Frau, die ihre letzte große Liebe erlebt. Verschämt-rauhe Zärtlichkeit wechselt mit schrill-ordinärem Zank, wenn es gilt, dieses letzte kurze Glück gegen Verwandte und Nachbarn zu verteidigen, deren Stimmen in dem Stück ausgespart bleiben. Zu hören ist nur die Stimme Irma Kupcziks.

Waren die früheren Hörspiele von Margarete Jehn gekennzeichnet durch sprachliche Stilisierungen, durch Märchenmotive und durch Kindheitsreflexionen, so wird hier zum erstenmal die Situation einer Frau vorgeführt, die sich aus den Zwängen ihres kleinbürgerlichen Milieus zu befreien versucht. Und zum erstenmal benutzt die Autorin eine realistische, von allen poetischen Überhöhungen freie Sprache. Um nämlich die Reaktionen der Frau zu verdeutlichen, löste die Autorin ihre Sätze heraus, das heißt, das Hörspiel enthält nur die Sätze der Frau.
So entsteht ein Scheinmonolog, es entstehen "statements": Das Augenmerk des Hörers wird einzig und allein auf die Frau gelenkt, ihre kleine Geschichte erscheint gewissermaßen als Konzentrat. Da sich aber alle Sätze, die die Frau spricht, an jemanden richten, wird andererseits auch die Umwelt deutlich, sie muss beim Hören vom Hörer ergänzt werden.
Die Autorin sieht die Figur ihres Hörspiels so: "Es gibt viele Irmas. Es gibt sie in allen Gesellschaftsschichten, und ihre Klagen klingen, mehr oder weniger abstrahiert, alle ähnlich. Plötzlich - sie verliebt sich - kommt es zu einem Ausbruchsversuch aus ihrer kleinbürgerlichen Welt. Vielleicht ist sie durch ihr Verliebtsein, durch ein neues Lebensgefühl zur Einsicht gekommen. Vielleicht, weil ihr Gefängnis weniger komfortabel ist als das anderer Frauen, ging Einsicht ihrem Verhalten voraus. Irma wird angegriffen. Sie hat Angst, sie steht völlig allein, aber sie wehrt sich, sucht Annäherung durch unbeholfene Artikulationsversuche, spricht gegen Wände.
Es ist doch so, dass diese Leute der Sprache als Kommunikationsmittel misstrauen, weil sie schon in der Schule eine Sprache lernen müssen, die mit ihren Umwelterfahrungen nicht übereinstimmt. Berührungen sind auch verpönt. Also gibt es keine Annäherung. Aber Irma will berühren, will sich mitteilen. Deshalb ist die Geschichte auch so dramatisch."

H. G. Krogmann inszenierte das Hörspiel in der Art eines Original-Ton-Statements, er suchte alle Schauplätze des Hörspiels auf, um so Atmospähre direkt einzufangen. In diesem Hörspiel wird dem Schnitt eine besondere Rolle zukommen, denn er wird hörbar sein und immer daran erinnern, dass sich die Sprecherin nicht mit sich selbst, sondern stets mit anderen unterhält.